Kennst du diesen Moment, wenn du in einem Meeting sitzt, innerlich seufzt und denkst: „Mit ihr wird’s heute wieder anstrengend…“? Willkommen im Club!
Jede Führungskraft, jede Projektleiter:in kennt sie – diese bestimmten Menschen.
- Die, bei denen Gespräche zäh werden wie Kaugummi.
- Die, nach denen du erstmal selbst eine Pause brauchst.
- Die, bei denen du dich fragst: „Wie lange halte ich das noch durch?“
Aber was, wenn es gar nicht um sie geht? Nicht um die Nörglerin. Nicht um den Verweigerer. Nicht um die Ewig-Verletzte.
Was, wenn das Verhalten dieser Person gar nicht das Problem ist – sondern ein Symptom? Ein Hinweis auf etwas Tieferes. Auf eine Unklarheit, ein Ungleichgewicht, einen stillen Konflikt in deinem Team – oder in deiner Führung?
Was bedeutet eigentlich „Schwierige Mitarbeiter“?
Ein Mitarbeitender macht dich regelmäßig wahnsinnig. Er stellt alles infrage, zieht Meetings in die Länge, blockiert Entscheidungen. Oder sie wirkt wie im inneren Widerstand, schweigt bei Feedback, macht dicht – oder taucht einfach ab. „Schwierig“ eben.
Doch bevor du dich in Frust und Ärger verlierst, frag dich: Was, wenn dieses Verhalten kein Zufall ist?
Keine „Typ-Sache“, kein persönlicher Angriff? Was, wenn diese Person gerade etwas sichtbar macht, das schon länger unter der Oberfläche gärt – in deinem Team, in der Führung oder im System selbst?
Das Verhalten eines Menschen zeigt dir selten sein Problem – sondern oft euer gemeinsames.
➡ Vielleicht fehlt dieser Person eine klare Rolle.
➡ Vielleicht sind Erwartungen widersprüchlich – oder nie ausgesprochen worden.
➡ Vielleicht spürt sie eine Überforderung, die keiner wahrhaben will.
➡ Vielleicht reagiert sie auf ein Führungsvakuum, das du (noch) nicht bewusst gefüllt hast.
Was du als störend erlebst, ist oft ein Ausdruck von Ungleichgewicht. Und genau das sehen wir uns jetzt genauer an – anhand von vier Ebenen, auf denen sich vermeintlich „schwieriges Verhalten“ entwickeln kann.
Schwierige Mitarbeiter – Was wirklich dahintersteckt
Wir alle kennen Situationen, in denen wir uns über eine bestimmte Person regelmäßig ärgern – und uns dann einreden, das sei „halt deren Art“. Doch in Wahrheit nehmen wir uns selten die Zeit, eine ehrlichere Frage zu stellen:
Warum zeigt sich diese Person so?
Denn: Schwieriges Verhalten ist fast nie Selbstzweck. Es hat Gründe. Es ist oft das Symptom eines Problems – nicht das Problem selbst. Und genau hier beginnt der Unterschied zwischen Reaktion und Führung.
In meinen Seminaren arbeite ich mit vier systemischen Ebenen, auf denen sich Schwierigkeit entwickeln – und entladen – kann:
1. Persönlichkeit
Manche Herausforderungen entstehen auf individueller Ebene.
Innere Antreiber, alte Glaubenssätze („Ich darf keine Fehler machen“), temperamentvolle Reizbarkeit oder Angst vor Bewertung – all das beeinflusst unser Verhalten im Arbeitskontext.
Aber: Persönlichkeit ist nicht gleich Problem.
Sie ist das Fundament, auf dem wir reagieren – und häufig auch der Schlüssel zur Lösung. Wer zynisch ist, war vielleicht mal überengagiert – und wurde enttäuscht. Wer blockiert, hat sich vielleicht schon oft nicht gehört gefühlt.
2. Führung
Ja, genau: auch wir als Führungskraft können Teil des Problems sein.
- Gibt es klare Erwartungen?
- Werden Grenzen aufgezeigt – und gehalten?
- Gibt es Verlässlichkeit?
Mangelnde Konsequenz, unklare Kommunikation, inkonsistente Entscheidungen: Sie alle schaffen Unsicherheit – und Unsicherheit ist ein guter Nährboden für „schwieriges Verhalten“.
3. Organisation
Eine schlechte Struktur produziert schlechte Stimmung – egal, wie stark dein Team ist.
Überlastung, widersprüchliche Anweisungen, chaotische Prozesse, schlechte Ausstattung – das alles führt dazu, dass Mitarbeitende frustriert oder blockiert reagieren.
Und wer frustriert ist, wird nicht „schwierig“ – er wird menschlich.
4. Rollenunklarheit
Du erwartest Eigenverantwortung, aber der andere glaubt, er soll „nur ausführen”. Du denkst, sie soll sich proaktiv einbringen – sie glaubt, das sei „Einmischung“.
Rollenunklarheit führt zu Missverständnissen, Rückzug, Widerstand oder Überanpassung. Und all das kann – von außen betrachtet – wie mangelnde Motivation oder Konfliktlust wirken.
Wichtig: Diese Ebenen wirken nie isoliert.
Oft ist es genau die Kombination aus strukturellen Schwächen, persönlicher Unsicherheit und Führungslücken, die wie ein Brennglas auf eine Person wirkt. Und diese reagiert – sichtbar. Vielleicht zu laut. Oder zu leise. Oder scheinbar irrational.
Wer jedoch nur auf das Verhalten schaut, behandelt Symptome. Wer sich die Ebenen dahinter ansieht, kann wirklich führen.
Das bedeutet nicht, dass wir alles entschuldigen müssen. Aber wir müssen es verstehen, bevor wir agieren.
Denn Führung beginnt nicht bei der Maßnahme – sondern bei der Haltung.
Die 5 wirksamsten Strategien im Führungsalltag für den Umgang mit schwierigen Mitarbeitern
1. Beobachten – nicht bewerten
Das Problem:
Wir reagieren auf das, was wir fühlen – nicht auf das, was wirklich passiert. Und nennen es dann „objektiv“. „Er ist respektlos.“ „Sie ist faul.“ – Solche Aussagen sind keine Beobachtungen, sondern Bewertungen, gefärbt von deiner eigenen Brille.
Ein Beispiel:
Statt: „Sie ist unzuverlässig.“
Besser: „Sie hat drei von fünf Aufgaben in dieser Woche nicht wie vereinbart bis Dienstag erledigt.“
Dein Führungstipp:
Verhaltenstagebuch führen – 7 Tage lang, 3 Minuten täglich. Schreib auf, was konkret passiert ist, ohne Interpretation. So erkennst du Muster – und deine eigenen Trigger.
2. Beziehung gestalten – nicht hoffen, dass sie sich „normalisiert“
Das Problem:
Viele Führungskräfte gehen Konflikten aus dem Weg – in der Hoffnung, es „renkt sich schon wieder ein“. Tut es aber selten.
Wenn die Beziehung belastet ist, hilft keine Sachklärung. Erst recht keine E-Mail mit „zur Kenntnis“.
Ein Beispiel:
Ein Mitarbeiter schweigt demonstrativ bei Meetings. Du fühlst dich provoziert – und ziehst dich zurück. Ergebnis: Fronten verhärten sich.
Dein Führungstipp:
Beziehungsgespräch führen. Kein Kritikgespräch. Kein Feedbackgespräch. Sondern: „Wie erleben wir aktuell unsere Zusammenarbeit – und was brauchen wir, damit sie funktioniert?“
Frage: „Wie fühlt es sich an, mit mir zusammenzuarbeiten?“ – und: Hör zu. Wirklich.
3. Wertearbeit – nicht nur Verhalten managen
Das Problem:
Hinter vielen Konflikten steckt kein „Fehlverhalten“, sondern ein Wertekonflikt: zwei unterschiedliche Vorstellungen davon, was „richtig“ ist.
Ein Beispiel:
Du erwartest Eigenverantwortung – dein Mitarbeitender will klare Anweisungen.
Du willst Tempo – er will Genauigkeit.
Du lebst Klartext – sie filtert alles durch Diplomatie.
Das knallt. Immer wieder.
Dein Führungstipp:
Mini-Werteabgleich: Frag im nächsten 1:1: „Was ist dir in der Zusammenarbeit am wichtigsten?“
Und teile auch deine Antwort. Wenn das Matching nicht passt, braucht es keine Verhaltensänderung – sondern eine Entscheidung.
4. Feedback führen – nicht abladen
Das Problem:
Wenn es kracht, kommt schnell ein Gespräch – das eher Entladung als Entwicklung ist.
Deine Frustration wird zur Botschaft. Und damit blockierst du genau das, was du erreichen willst: Veränderung.
Ein Beispiel:
„Ich habe Ihnen das doch schon fünfmal gesagt, und es ändert sich nichts!“ – das ist kein Feedback. Das ist Ärger in Lautstärke 5.
Dein Führungstipp:
Die 3-W-Regel: – Wahrnehmung: „Mir ist aufgefallen, dass …“ -Wirkung: „Das führt dazu, dass …“ -Wunsch: „Ich wünsche mir, dass …“
Bleib konkret. Bleib ruhig. Und vor allem: gib Raum für Antwort.
5. Haltung statt Technik
Das Problem:
Viele wünschen sich Tools, Hacks, Rezepte. Aber Führung funktioniert nicht wie ein IKEA-Regal.Menschen spüren, ob du dich hinter einer Technik versteckst – oder klar und ehrlich in deiner Rolle stehst.
Ein Beispiel:
Du gibst Feedback nach allen Regeln der Kunst – aber innerlich hast du schon abgeschlossen. Die andere Person merkt das. Und blockt.
Dein Führungstipp:
Haltungs-Check-in: Bevor du ins Gespräch gehst, frag dich: -Bin ich wirklich offen für die Person? -Oder will ich nur meine Ruhe? -Was ist mein Ziel – Klarheit oder Kontrolle?
Denn: Klarheit braucht Haltung. Nicht Methode.
Fazit: Schwieriges Verhalten ist selten das Problem – sondern oft der Hinweis darauf
Wenn wir von „schwierigen Mitarbeitenden“ sprechen, schauen wir oft auf das, was laut, unangepasst oder störend wirkt. Aber genau dieses Verhalten ist selten die Wurzel des Problems – viel häufiger ist es ein Ausdruck von etwas Tieferem: einer Unklarheit, einem Konflikt, einer ungesagten Erwartung.
Ob es sich dabei um persönliche Themen handelt, Führungslücken, strukturelle Schwächen oder ein kulturelles Mismatch – das Verhalten zeigt uns, wo etwas im System aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Die wichtigste Erkenntnis lautet daher:
Führung heißt nicht, Menschen zu ändern – sondern zuerst den Rahmen, in dem sie agieren. Und oft beginnt das mit einem Perspektivwechsel bei dir selbst.
Wenn du lernst, genau hinzuschauen – systemisch, menschlich, ohne sofort zu bewerten – wirst du nicht nur Probleme entschärfen, sondern echten Wandel ermöglichen:
in deinem Team, in eurer Zusammenarbeit und letztlich auch in deiner eigenen Führungsentwicklung.
Und jetzt du: Welche Strategie probierst du zuerst aus?
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